Hdt.3.82.1-3.82.5 Protokoll zum 03.12.23

Zeit: 10:00 – 11:55 Uhr                 -              Ort: online
anwesend: Holger, Ulf, Friedrich

Übersetzung von 3.82.1-3.82.5
Ich gebe hier aber für den besseren Überblick noch einmal die Übersetzung der ganzen Verfassungsdebatte.
Nach der Pause mussten wir uns ans Übersetzen wieder gewöhnen.

 

[80.1] Ἐπείτε δὲ κατέστη ὁ θόρυβος καὶ ἐκτὸς πέντε ἡμερέων ἐγένετο, ἐβουλεύοντο οἱ ἐπαναστάντες τοῖσι Μάγοισι περὶ τῶν πάντων πρηγμάτων καὶ ἐλέχθησαν λόγοι ἄπιστοι μὲν ἐνίοισι Ἑλλήνων, ἐλέχθησαν δ᾽ ὦν.

Αls sich die Unruhe gelegt hatte und fünf Tage vergangen waren, berieten sich die Aufständischen gegen die Mager über die ganze Lage und Reden wurden gehalten, die zwar einigen der Griechen unglaubwürdig sind, aber doch gehalten wurden.

[80.2] Ὀτάνης μὲν ἐκέλευε ἐς μέσον Πέρσῃσι καταθεῖναι τὰ πρήγματα, λέγων τάδε. „ἐμοὶ δοκέει ἕνα μὲν ἡμέων μούναρχον μηκέτι γενέσθαι. οὔτε γὰρ ἡδὺ οὔτε ἀγαθόν. εἴδετε μὲν γὰρ τὴν Καμβύσεω ὕβριν ἐπ᾽ ὅσον ἐπεξῆλθε, μετεσχήκατε δὲ καὶ τῆς τοῦ Μάγου ὕβριος.

Otanes forderte, die Politik den Persern öffentlich/zugänglich zu machen und sagte folgendes: „Mir scheint gut, dass nicht mehr ein einziger von uns Monarch wird. Denn das wäre weder erstrebenswert noch gut. Ihr seht ja, worauf die Rücksichtsligkeit des Kambyses hinauslief; und ihr wart auch von der Rücksichtslosigkeit des Magers betroffen.

[80.3] κῶς δ᾽ ἂν εἴη χρῆμα κατηρτημένον μουναρχίη, τῇ ἔξεστι ἀνευθύνῳ ποιέειν τὰ βούλεται; καὶ γὰρ ἂν τὸν ἄριστον ἀνδρῶν πάντων στάντα ἐς ταύτην ἐκτὸς τῶν ἐωθότων νοημάτων στήσειε. ἐγγίνεται μὲν γάρ οἱ ὕβρις ὑπὸ τῶν παρεόντων ἀγαθῶν, φθόνος δὲ ἀρχῆθεν ἐμφύεται ἀνθρώπῳ.

Wie aber könnte die Alleinherrschaft eine ordentliche Sache sein, der erlaubt ist, ohne Rechenschaftspflicht zu tun, was sie will? Denn sie dürfte wohl auch den besten aller Männer, wenn sie ihn dafür aufgestellt hat, außerhalb seiner gewohnten Gesittung stellen. Es entsteht ihm nämlich Rücksichtslosigkeit durch die (anwesenden) verfügbaren Güter, Missgunst aber ist dem Menschen von Anfang an eingeboren. 

[80.4] δύο δ᾽ ἔχων ταῦτα ἔχει πᾶσαν κακότητα· τὰ μὲν γὰρ ὕβρι κεκορημένος ἔρδει πολλὰ καὶ ἀτάσθαλα, τὰ δὲ φθόνῳ. καίτοι ἄνδρα γε τύραννον ἄφθονον ἔδει εἶναι, ἔχοντά γε πάντα τὰ ἀγαθά. τὸ δὲ ὑπεναντίον τούτου ἐς τοὺς πολιήτας πέφυκε· φθονέει γὰρ τοῖσι ἀρίστοισι περιεοῦσί τε καὶ ζώουσι, χαίρει δὲ τοῖσι κακίστοισι τῶν ἀστῶν, διαβολὰς δὲ ἄριστος ἐνδέκεσθαι.

Mit diesen beiden besitzt er die ganze schlechte Gesinnung; denn zum einen wird er voller Rücksichtslosigkeit vieles Frevehafte tun, zum andern voller Missgunst. Freilich müsste ein Tyrann ohne Missgunst sein, da er alle Güter hat. Aber ganz im Gegenteil dazu verhält er sich zu den Bürgern. Denn missgünstig ist er gegen die Besten, soweit sie übrig und am Leben sind, und er freut sich über die Schlechtesten der Bürger, und er ist am besten darin, Verleumdungen anzunehmen.

[80.5] ἀναρμοστότατον δὲ πάντων· ἤν τε γὰρ αὐτὸν μετρίως θωμάζῃς, ἄχθεται ὅτι οὐ κάρτα θεραπεύεται, ἤν τε θεραπεύῃ τις κάρτα, ἄχθεται ἅτε θωπί. τὰ δὲ δὴ μέγιστα ἔρχομαι ἐρέων· νόμαιά τε κινέει πάτρια καὶ βιᾶται γυναῖκας κτείνει τε ἀκρίτους.

Was aber das Unordentlichste von allem ist: wenn man ihn einerseits nur zurückhaltend bewundert, ärgert er sich, weil er nicht sehr hofiert wird; und wenn einer ihn sehr hofiert, ärgert er sich über ihn als Schmeichler. Das Wichtigste aber will ich noch sagen: Er rührt an den überkommenen Sitten und vergewaltigt Frauen und tötet ohne Prozess und Urteil.

[80.6] πλῆθος δὲ ἄρχον πρῶτα μὲν οὔνομα πάντων κάλλιστον ἔχει, ἰσονομίην, δεύτερα δὲ τούτων τῶν ὁ μούναρχος ποιέει οὐδέν· πάλῳ μὲν ἀρχὰς ἄρχει, ὑπεύθυνον δὲ ἀρχὴν ἔχει, βουλεύματα δὲ πάντα ἐς τὸ κοινὸν ἀναφέρει. τίθεμαι ὦν γνώμην μετέντας ἡμέας μουναρχίην τὸ πλῆθος ἀέξειν· ἐν γὰρ τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα.

Das Volk aber, wenn es regiert, hat es erstens von allen den schönsten Namen, die Rechtsgleichheit, zweitens aber macht es nichts von dem, was der Alleinherrscher macht; es besetzt die Ämter mit dem Los, es hat das Amt mit Rechenschaftspflicht inne, es bringt alle Beratungen in die Öffentlichkeit. Ich vertrete also die Meinung, dass wir die Alleinherrschaft aufgeben und die Menge stärken; denn in der Vielheit liegt alles.“

[81.1] Ὀτάνης μὲν δὴ ταύτην γνώμην ἐσέφερε· Μεγάβυζος δὲ ὀλιγαρχίῃ ἐκέλευε ἐπιτρέπειν, λέγων τάδε. „τὰ μὲν Ὀτάνης εἶπε τυραννίδα παύων, λελέχθω κἀμοὶ ταῦτα, τὰ δ᾽ ἐς τὸ πλῆθος ἄνωγε φέρειν τὸ κράτος, γνώμης τῆς ἀρίστης ἡμάρτηκε· ὁμίλου γὰρ ἀχρηίου οὐδέν ἐστι ἀξυνετώτερον οὐδὲ ὑβριστότερον.

Otanes brachte also diese Meinng ein. Megabyzos aber forderte dazu auf, sich der Oligarchie zuzuwenden und sagte folgendes: „Was Otanes sagte, indem er die Tyrannis beenden wollte, das wird auch von mir gesagt, insofern er aber aufforderte, die Macht and die Menge zu geben, verfehlt er die beste Meinung; denn nichts ist unverständiger und übermütiger als der unnütze Haufen.

[81.2] καίτοι τυράννου ὕβριν φεύγοντας ἄνδρας ἐς δήμου ἀκολάστου ὕβριν πεσεῖν ἐστὶ οὐδαμῶς ἀνασχετόν. ὃ μὲν γὰρ εἴ τι ποιέει, γινώσκων ποιέει, τῷ δὲ οὐδὲ γινώσκειν ἔνι· κῶς γὰρ ἂν γινώσκοι ὃς οὔτ᾽ ἐδιδάχθη οὔτε εἶδε καλὸν οὐδὲν οἰκήιον, ὠθέει τε ἐμπεσὼν τὰ πρήγματα ἄνευ νόου, χειμάῤῥῳ ποταμῷ εἴκελος;

Freilich ist es unerträglich, wenn Männer auf der Flucht vor dem Übermut eines Tyrannen dem ungezügelten Übermut des Volkes anheimfallen. Der eine nämlich handelt, wenn er etwas tut, mit Kenntnis, dem anderen aber ist es gar nicht möglich zu erkennen. Denn wie könnte der Kenntnis haben, der weder unterrichtet wurde noch irgendetwas Gutes von sich aus weiß und die Dinge, wenn er hineingerät, ohne Verstand voranstößt, einem reißenden Fluss gleich.

[81.3] δήμῳ μέν νυν, οἳ Πέρσῃσι κακὸν νοέουσι, οὗτοι χράσθων, ἡμεῖς δὲ ἀνδρῶν τῶν ἀρίστων ἐπιλέξαντες ὁμιλίην τούτοισι περιθέωμεν τὸ κράτος· ἐν γὰρ δὴ τούτοισι καὶ αὐτοὶ ἐνεσόμεθα· ἀρίστων δὲ ἀνδρῶν οἰκὸς ἄριστα βουλεύματα γίνεσθαι.“

Das Volk also sollen diese nutzen, die für die Perser Schlechtes im Sinn haben, uns aber lasst eine Gruppe der besten Männer hinzuwählen und ihnen die Macht geben; unter ihnen werden wir ja auch selbst sein. Und es ist natürlich, dass von den besten Männern die besten Ratschläge kommen.

[82.1] Μεγάβυζος μὲν δὴ ταύτην γνώμην ἐσέφερε· τρίτος δὲ Δαρεῖος ἀπεδείκνυτο γνώμην, λέγων „ἐμοὶ δὲ τὰ μὲν εἶπε Μεγάβυζος ἐς τὸ πλῆθος ἔχοντα δοκέει ὀρθῶς λέξαι, τὰ δὲ ἐς ὀλιγαρχίην οὐκ ὀρθῶς. τριῶν γὰρ προκειμένων καὶ πάντων τῷ λόγῳ ἀρίστων ἐόντων, δήμου τε ἀρίστου καὶ ὀλιγαρχίης καὶ μουνάρχου, πολλῷ τοῦτο προέχειν λέγω.

Megabyzos brachte diesen Antrag ein. Als dritter aber gab Dareios seine Meinung kund und sagte: „Mir scheint Megabyzos, was, er zur Menge sagte, richtig gesprochen zu haben, was aber zur Oligarchie nicht richtig. Denn drei Formen liegen vor und alle sind im Gedanken vortrefflich, die Volksherrschaft ist vortrefflich, die Oligarchie und die Monarchie, um vieles aber ist diese Form überragend meiner Meinung nach.

[82.2] ἀνδρὸς γὰρ ἑνὸς τοῦ ἀρίστου οὐδὲν ἄμεινον ἂν φανείη· γνώμῃ γὰρ τοιαύτῃ χρεώμενος ἐπιτροπεύοι ἂν ἀμωμήτως τοῦ πλήθεος, σιγῷτό τε ἂν βουλεύματα ἐπὶ δυσμενέας ἄνδρας οὕτω μάλιστα.

Denn nichts dürfte besser erscheinen als ein einziger Mann, der der beste ist; mit einer solchen Einstellung dürfte er die Menge untadelig verwalten, und so am ehesten dürften die Pläne gegen die übelmeinenden Männer verschweigen bleiben.

[82.3] ἐν δὲ ὀλιγαρχίῃ πολλοῖσι ἀρετὴν ἐπασκέουσι ἐς τὸ κοινὸν ἔχθεα ἴδια ἰσχυρὰ φιλέει ἐγγίνεσθαι· αὐτὸς γὰρ ἕκαστος βουλόμενος κορυφαῖος εἶναι γνώμῃσί τε νικᾶν ἐς ἔχθεα μεγάλα ἀλλήλοισι ἀπικνέονται, ἐξ ὧν στάσιες ἐγγίνονται, ἐκ δὲ τῶν στασίων φόνος· ἐκ δὲ τοῦ φόνου ἀπέβη ἐς μουναρχίην, καὶ ἐν τούτῳ διέδεξε ὅσῳ ἐστὶ τοῦτο ἄριστον.

In der Oligarchie pflegen vielen in ihrem Streben nach Tüchtigkeit starke eigene Feindschaften in die Gemeinschaft zu dringen.  Denn da ein jeder an der Spitze stehen und mit seinen Meinungen sich durchsetzen will, geraten sie untereinander in große Feindschaften, aus denen Parteiungen entstehen, aus den Parteiungen aber Mord, und aus Mord läuft es auf Monarchier hinaus; und zeigt darin, um wieviel dies das beste ist. 

[82.4] δήμου τε αὖ ἄρχοντος ἀδύνατα μὴ οὐ κακότητα ἐγγίνεσθαι· κακότητος τοίνυν ἐγγινομένης ἐς τὰ κοινὰ ἔχθεα μὲν οὐκ ἐγγίνεται τοῖσι κακοῖσι, φιλίαι δὲ ἰσχυραί· οἱ γὰρ κακοῦντες τὰ κοινὰ συγκύψαντες ποιεῦσι. τοῦτο δὲ τοιοῦτο γίνεται ἐς ὃ ἂν προστάς τις τοῦ δήμου τοὺς τοιούτους παύσῃ. ἐκ δὲ αὐτῶν θωμάζεται οὗτος δὴ ὑπὸ τοῦ δήμου, θωμαζόμενος δὲ †ἀν᾽† ὦν ἐφάνη μούναρχος ἐών, καὶ ἐν τούτῳ δηλοῖ καὶ οὗτος ὡς ἡ μουναρχίη κράτιστον.

Wenn aber andererseits das Volk regiert, ist es unmöglich, dass nicht schlechte Gesinnung eindringt. Ist dann schlechte Gesinnung eingedrungen, geraten zwar den Schlechten keine Feindschaften in die Gemeinschaft, aber starke Freundschaftsgruppen. Denn die dem Gemeinwesen übel mitspielen, handeln in heimlichen Absprachen. Dies geschieht solchermaßen bis zu dem Punkt, an dem ein Anführer des Volkes diese Leute ruhig stellt. Deswegen wird dieser nun vom Volk bewundert, und bewundert also, scheint er Monarch zu sein, und auch dieser macht damit deutlich, dass die Monarchie das beste ist.

[82.5] ἑνὶ δὲ ἔπεϊ πάντα συλλαβόντα εἰπεῖν, κόθεν ἡμῖν ἡ ἐλευθερίη ἐγένετο καὶ τεῦ δόντος; κότερα παρὰ τοῦ δήμου ἢ ὀλιγαρχίης ἢ μουνάρχου; ἔχω τοίνυν γνώμην ἡμέας ἐλευθερωθέντας διὰ ἕνα ἄνδρα τὸ τοιοῦτο περιστέλλειν, χωρίς τε τούτου πατρίους νόμους μὴ λύειν ἔχοντας εὖ· οὐ γὰρ ἄμεινον“.

Um aber mit einem Wort alles zusammenfassend zu sagen: Woher ist uns die Freiheit geworden und von wem gegeben? Vom Volk oder Oligarchie oder Monarch?  Ich also habe zum Antrag, dass wir, befreit aufgrund eines einzigen Mannes, das so geartete bewahren und außerdem die von den Vätern ererbten Zustände/Gebräuche nicht auflösen, da sie gut sind. Denn nichts ist besser.

 

Schwerpunkt des Treffens war aber - mit der Lektüre von Bleicken und Bringmann im Hintergrund - das Gesamtverständnis des Textes. 

  1. Die Debatte kann so unter den Granden der Perser im Jahre 522 nicht stattgefunden haben. Denn in der historischen Situation war anderes als die Fortführung der überkommenen Königsherrschaft nicht denkbar.
    Nur das recht gewaltsame Schlussargument des Dareios versucht auf persische Gegebenheiten einzugehen.
    Alles andere spiegelt zudem, wie Bleicken überzeugend ausführt, die 100 Jahre spätere sophistische Debatte wider, wie sie zur Zeit der Niederschrift der Historien in Athen geführt wurde.
  2. Herodot (oder auch ein anderer Interpolator) nutzt also die hisorische Schaltstelle in der persischen Geschichte nach dem Sieg über den Usurpator Smerdis, um grundsätzliche Gedanken seiner Zeit zu den Formen der Verfassungen gleichsam als Gedankenspiel (τῷ λόγῳ ἀρίστων ἐόντων) einzufügen.
    Holger weist in diesem Zusammenhang erneut auf die Theorie von herodoteischen Vorlesungen hin, aus der sich übrigens auch leicht der anfängliche Einschub λόγοι ἄπιστοι μὲν ἐνίοισι Ἑλλήνων, ἐλέχθησαν δ᾽ ὦν verstehen lässt.
  3. Zudem weist Bleicken darauf hin, dass die Dabetta mit Leichtigkeit zwischen [80.1] und [84.1] eingefügt sein kann:
    [80.1] Ἐπείτε δὲ κατέστη ὁ θόρυβος καὶ ἐκτὸς πέντε ἡμερέων ἐγένετο, ἐβουλεύοντο οἱ ἐπαναστάντες τοῖσι Μάγοισι [...] [84.1] [Οἱ δὲ ἑπτὰ ἐβουλεύοντο] ὡς βασιλέα δικαιότατα στήσονται.
  4. Aus Bleickens Untersuchung schien uns folgendes besonders wichtig:
    1. Einzig die Verfassungsform des δῆμος ἄρχων ist mit den wesentlichen Gesichtspunkten der ἰσονομία, der Wählbarkeit (durch Los!) und Rechenschaftspflicht der Beamten genauer charakterisiert, wie sie einzig in Athen seit Kleisthenes gelten.
    2. Die Argumente gegen die Demokratie, wie sie Megabyzos vorträgt, sind die überkommenen Argumgnte des alten Adels von der Dummheit und Zügellosigkeit des Volkes. Sein Argument für die Oligarchie, dass von den ἄριστοι auch die ἄριστα βουλεύματα zu erwarten sind, atmet ebenfalls die Luft der alten Adelsgesellschaft.
    3. Dagegen scheinen die Feststellungen des Dareios, dass sowohl die στάσεις der Oligarchen als auch die verderblichen φιλίαι τῶν κακούντων jeweils auf die Einsetzung eines Monarchen hinauslaufen, im ersten Fall aus Athener Erfahrungen des 6. Jahrhunderts, im anderen Fall sogar aus dem Aufstieg des Perikles hergeleitet zu sein. Ein positives Argument für die Monarchie führt Dareios so wenig an, wie es auch in der Athener Erfahrung keine gibt.
    4. Zentral ist für Bleicken, dass es erst seit dem attischen Seebund und der (zum Teil erzwungenen) Übernahme der athenischen Demokratie in anderen Städten eine von Athen abstrahierende Definition der Demokratie gibt.
    5. Die eigenständige Definition der Oligarchie ergibt sich erst allmählich aus den Auseinandersetzungen während des peloponnesischen Krieges, wo (ungerechtfertigterweise) die Spartaner zu den Vertretern der Oligarchie werden.
  5. Bringmanns Fokus liegt darauf, dass Herodot die rücksichtslose Machtgier des Dareios zeigen will. Dazu einige Punkte seines Eingreifens:
    1. Dareios kommt nach Susa, nachdem Otanes (nicht Megabyzos, wie ich sagte) mit Hilfe seiner Tochter, Ehefrau des Kambyses und dann des Smerdi, die Unechtheit des falschen Smerdis entlarvt und sich mit fünf weiteren persischen Granden zusammengetan hat;  Dareios behauptet, vom Trug des falschen Smerdis schon gewusst zu haben; auch er habe zum Putsch aufrufen wollen.
    2. Er setzt den augenblicklichen Angriff auf Smerdis durch, indem er droht, andernfalls die Putschpläne an ihn zu verraten.
    3. Den Zugang zum Palast bekommen die Putschisten dadurch, dass Dareios die Wachen belügt. Zu Dareios‘ Relativierung der Wahrheit im Zeichen des eigenen Vorteils, s. den Textausschnitt unten.
    4. Nach dem Blutbad an den Magern findet die Verfassungsdebatte statt: Aus der anschließenden Abstimmung geht Dareios mit seinem Vatum für die Monarchie wieder als Sieger hervor.
    5. Und danach manipuliert er das Gottesurteil zur Königswahl (Wir wollen das noch lesen.)

Heutzutage nicht uninteresssant ist Dareios’ Relativierung von Waharheit und Lüge. Deswegen hier der Text:

[72.4] ἔνθα γάρ τι δεῖ ψεῦδος λέγεσθαι, λεγέσθω. τοῦ γὰρ αὐτοῦ γλιχόμεθα οἵ τε ψευδόμενοι καὶ οἱ τῇ ἀληθείῃ διαχρεώμενοι. οἳ μέν γε ψεύδονται τότε ἐπεάν τι μέλλωσι τοῖσι ψεύδεσι πείσαντες κερδήσεσθαι, οἳ δ᾽ ἀληθίζονται ἵνα τῇ ἀληθείῃ ἐπισπάσωνται κέρδος καί τι μᾶλλόν σφι ἐπιτράπηται. οὕτω οὐ ταὐτὰ ἀσκέοντες τὠυτοῦ περιεχόμεθα.

Denn wo es nötig ist, eine Lüge zu sagen, soll sie gesagt sein. Denn wir erstreben dasselbe, duie wir lügen und die wir die Wahrheit verwenden. Die einen lügen dann, wenn sie mit den Lügen überzeugend etwas gewinnen wollen. Die anderen aber sagen die Wahrheit, damit sie durch die Wahrheit einen Vorteil erreichen und sich ihnen etwas besser ergibt. So wenden sie zwar nicht dasselbe <Verfahren> an, sind aber auf dasselbe aus.

[72.5] εἰ δὲ μηδὲν κερδήσεσθαι μέλλοιεν, ὁμοίως ἂν ὅ τε ἀληθιζόμενος ψευδὴς εἴη καὶ ὁ ψευδόμενος ἀληθής.

Und wenn sie nichts gewinnen wollten, dann könnte der, Wahrheietsliebende ebenso Lügner sein und der Lügner wahrhaftig.

 

Nächstes Treffen: Sonntag, 10.12., 10:00 Uhr

Vorbereitung dazu:
Ich habe den Text in „Hdt.3.80 ff. Verfassungsdebatte“ noch einmal um ein paar Sätze erweitert und werde in den nächsten Tagen auch die Vokabeln dazu nachtragen. Wir werden uns dann also wenigstens den Betrug des Stallmeisters noch zu Gemüte führen.