Hdt.3.80.1–3.80.6 Protokoll zum 12.11.2023

 

Zeit: 10:00 – 12:10 Uhr                 -              Ort: online
anwesend: Caren, Holger, Wulf, Friedrich

Übersetzung:

 

[80.1] Ἐπείτε δὲ κατέστη ὁ θόρυβος καὶ ἐκτὸς πέντε ἡμερέων ἐγένετο, ἐβουλεύοντο οἱ ἐπαναστάντες τοῖσι Μάγοισι περὶ τῶν πάντων πρηγμάτων καὶ ἐλέχθησαν λόγοι ἄπιστοι μὲν ἐνίοισι Ἑλλήνων, ἐλέχθησαν δ᾽ ὦν.

Αls sich die Unruhe gelegt hatte und mehr als fünf Tage vergangen waren, berieten sich die Aufständischen gegen die Mager über die ganze Lage der Politik, und Reden wurden gehalten, die zwar einigen der Griechen unglaubwürdig sind, aber doch gehalten wurden.

[80.2] Ὀτάνης μὲν ἐκέλευε ἐς μέσον Πέρσῃσι καταθεῖναι τὰ πρήγματα, λέγων τάδε. „ἐμοὶ δοκέει ἕνα μὲν ἡμέων μούναρχον μηκέτι γενέσθαι. οὔτε γὰρ ἡδὺ οὔτε ἀγαθόν. εἴδετε μὲν γὰρ τὴν Καμβύσεω ὕβριν ἐπ᾽ ὅσον ἐπεξῆλθε, μετεσχήκατε δὲ καὶ τῆς τοῦ Μάγου ὕβριος.

Otanes forderte, die politischen Tätigkeiten den Persern öffentlich/zugänglich zu machen, und sagte folgendes: „Mir scheint gut, dass nicht mehr einer von uns Monarch wird. Denn das wäre weder erstrebenswert noch gut. Ihr seht ja, worauf die Rücksichtsligkeit des Kambyses hinauslief; und ihr wart auch von der Rücksichtslosigkeit des Magers betroffen.

[80.3] κῶς δ᾽ ἂν εἴη χρῆμα κατηρτημένον μουναρχίη, τῇ ἔξεστι ἀνευθύνῳ ποιέειν τὰ βούλεται; καὶ γὰρ ἂν τὸν ἄριστον ἀνδρῶν πάντων στάντα ἐς ταύτην ἐκτὸς τῶν ἐωθότων νοημάτων στήσειε. ἐγγίνεται μὲν γάρ οἱ ὕβρις ὑπὸ τῶν παρεόντων ἀγαθῶν, φθόνος δὲ ἀρχῆθεν ἐμφύεται ἀνθρώπῳ.

Wie aber könnte die Alleinherrschaft eine ordentliche Sache sein, der erlaubt ist, nicht rechenschaftspflichtig zu tun, was sie will? Denn sie dürfte wohl auch den besten aller Männer, wenn er für sie aufgestellt ist, außerhalb seiner gewohnten Gesittung stellen. Es entsteht ihm nämlich Rücksichtslosigkeit durch die (anwesenden) verfügbaren Güter, Missgunst aber ist dem Menschen von Anfang an eingeboren. 

[80.4] δύο δ᾽ ἔχων ταῦτα ἔχει πᾶσαν κακότητα· τὰ μὲν γὰρ ὕβρι κεκορημένος ἔρδει πολλὰ καὶ ἀτάσθαλα, τὰ δὲ φθόνῳ. καίτοι ἄνδρα γε τύραννον ἄφθονον ἔδει εἶναι, ἔχοντά γε πάντα τὰ ἀγαθά. τὸ δὲ ὑπεναντίον τούτου ἐς τοὺς πολιήτας πέφυκε· φθονέει γὰρ τοῖσι ἀρίστοισι περιεοῦσί τε καὶ ζώουσι, χαίρει δὲ τοῖσι κακίστοισι τῶν ἀστῶν, διαβολὰς δὲ ἄριστος ἐνδέκεσθαι.

Mit diesen beiden besitzt er die ganze Schlechtigkeit; denn zum einen wird er voller Rücksichtslosigkeit vieles Frevelhafte tun, zum andern voller Missgunst. Freilich müsste ein Tyrann ohne Missgunst sein, da er alle Güter hat. Aber ganz im Gegenteil dazu verhält er sich zu den Bürgern. Denn missgünstig ist er gegen die Besten, wenn sie übrig und am Leben sind, und er freut sich über die Schlechtesten der Bürger, und er ist am besten darin, Verleumdungen anzunehmen.

[80.5] ἀναρμοστότατον δὲ πάντων· ἤν τε γὰρ αὐτὸν μετρίως θωμάζῃς, ἄχθεται ὅτι οὐ κάρτα θεραπεύεται, ἤν τε θεραπεύῃ τις κάρτα, ἄχθεται ἅτε θωπί. τὰ δὲ δὴ μέγιστα ἔρχομαι ἐρέων· νόμαιά τε κινέει πάτρια καὶ βιᾶται γυναῖκας κτείνει τε ἀκρίτους.

Was aber das Unordentlichste von allem ist: wenn man ihn einerseits nur zurückhaltend bewundert, ärgert er sich, weil er nicht sehr hofiert wird; und wenn einer ihn sehr hofiert, ärgert er sich über ihn als Schmeichler. Das Wichtigste aber will ich noch sagen: Er rührt an den überkommenen Sitten und vergewaltigt Frauen und tötet ohne Prozess und Urteil.

[80.6] πλῆθος δὲ ἄρχον πρῶτα μὲν οὔνομα πάντων κάλλιστον ἔχει, ἰσονομίην, δεύτερα δὲ τούτων τῶν ὁ μούναρχος ποιέει οὐδέν· πάλῳ μὲν ἀρχὰς ἄρχει, ὑπεύθυνον δὲ ἀρχὴν ἔχει, βουλεύματα δὲ πάντα ἐς τὸ κοινὸν ἀναφέρει. τίθεμαι ὦν γνώμην μετέντας ἡμέας μουναρχίην τὸ πλῆθος ἀέξειν· ἐν γὰρ τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα.

Wenn aber das Volk regiert, hat es erstens von allen den schönsten Namen, die Rechtsgleichheit, zweitens aber macht es nichts von dem, was der Alleinherrscher macht; es besetzt die Ämter mit dem Los, es hat das Amt mit Rechenschaftspflicht inne, es bringt alle Beratungen in die Öffentlichkeit. Ich vertrete also die Meinung, dass wir die Alleinherrschaft aufgeben und die Menge stärken; denn in der Vielheit liegt alles.“

 

Anmerkungendazu:

[80.1] Wir stolperten über

ἐκτὸς πέντε ἡμερέων ἐγένετο und wussten nicht, wie es zu der Übersetzung kommt: ... und noch keine fünf Tage verflossen waren ... So die Übersetzung nach J.Chr.F.Bähr (1863) bei Gottwein.

Ich habe diese Übersetzung leider ungeprüft übernommen, und sehe jetzt, dass sie falsch ist; denn alle anderen übersetzen anders, nämlich so, wie auch wir es empfanden:

  1. more than five days had elapsed ...
    (https://sacred-texts.com/cla/hh/hh3080.htm)
  2. Cinq jours après le rétablissement de la tranquillité ... (http://hodoi.fltr.ucl.ac.be/concordances/herodote_historiae_03/ligne05.cfm?numligne=81&mot=11270)
  3. Dopo che il tumulto si calmò e passarono cinque giorni, .,..
    (https://www.skuola.net/versioni-di-greco/del-mese/erodoto-storie-libro-3-paragrafo-80x.html)
  4. als ... fünf Tage vorüber waren (H.W. Haussig, 1955)
  5. of time, beyond, πέντε ἡμερέων Hdt.3.80. (LSJ)
  6. Von der Zeit: drüber hinaus, ἐπεὶ ἐκτὸς ἐγένετο πέντε ἡμερέων Her. 3, 80 (Pape)

[80.2] ἐκέλευε ἐς μέσον Πέρσῃσι καταθεῖναι τὰ πρήγματα

         0)   also Bähr: Otanes war der Meinung, die Regierung des Reichs in die Hände aller Perser zu legen.

  1. O. urged that they should resign the government into the hands of the whole body of the Persians
  2. O. exhorta les Perses à mettre l'autorité en commun
  3. O. esortava i Persiani al mettere il poterea disposizione di tutti
  4. O. sprach sich dafür aus, die Herrschaft an das ganze persische Volk zu geben

Abgesehen davon, dass alle das ἐς μέσον recht frei übersetzen und nur die Nr. 2) es deutlich mit dem ἐς τὸ κοινόν in [80.6] parallelisiert, wie auch ich es täte, beziehen 2) und 3) das Πέρσῃσι auf κελεύω, was nach Gemoll nur episch möglich ist, nachhomerisch wird κελεύω nach Gemoll und LSJ mit dem Akk. verbunden.

Außerdem zeigt der Vergleich der Übersetzungen, dass τὰ πρήγματα als Regierung, Machtausübung oder Herrschaft verstanden wird.

[80.4] πολλὰ καὶ ἀτάσθαλα

         Im Griechischen wird das Attribut πολύς regelmäßig durch καί mit einem zweiten Attribut verbunden.
         Im Dt. fällt das „und“ an dieser Stelle aus: „viel Frevlerisches“

Frage an ChatGPT: Konnte Dareios I. Griechisch?:
Antwort:
Es ist bekannt, dass Dareios I., der persische König von 522 v. Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 486 v. Chr., mehrere Sprachen sprach. Die Inschriften auf seinen königlichen Denkmälern, wie dem sogenannten Behistun-Felsen, sind in drei Sprachen verfasst: Altpersisch, Elamitisch und Babylonisch. Es wird angenommen, dass Dareios I. zumindest diese drei Sprachen beherrschte.
In Bezug auf Griechisch gibt es jedoch keine eindeutigen historischen Aufzeichnungen oder Beweise dafür, dass Dareios I. Griechisch sprach. Die Hauptquellen über sein Leben und seine Herrschaft stammen aus persischen und babylonischen Quellen, und es gibt wenig bis keine Hinweise darauf, dass Griechisch zu den Sprachen gehörte, die er persönlich beherrschte.

Zur Inschrift von Behistun s.  https://de.wikipedia.org/wiki/Behistun-Inschrift und zum Textder Inschgrift s. https://de.wikipedia.org/wiki/DB_(Inschrift), v.a. § 10 bis § 14

Zur Argumentation des Otanes:
Er stellt dem Zerrbild der Alleinherrschaft ein Idealbild der Demokratie gegenüber und benutzt dafür das Schlagwort der Kleisthenischen Demokratie-Reform, die Isonomie, und nennt außerdem das Losverfahren für die Ämterbesetzung, wie es bei Kleisthenes fast durchgängig angewandte wurde.
Auffällig ist auch, dass dem Menschen die Grundübel der ὕβρις und des φθόνος ein-/angeboren seien, aus denen sich jedes Übel ergebe, wenn er die Mittel der Umsetzung hat.

Nächstes Treffen: Sonntag, 19.11., 10:00 Uhr