pEpikr.Men30-33 Nr. 9 Protokoll 26.02 23

Zeit: 10:00 bis 12:00 Uhr              Ort: online
anwesend: Caren, Holger, Ulf, Friedrich

Übersetzung:

Καὶ τὴν αὐτάρκειαν δὲ ἀγαθὸν μέγα νομίζομεν, οὐχ ἵνα πάντως τοῖς ὀλίγοις χρώμεθα,

ἀλλ’ ὅπως ἐὰν μὴ ἔχωμεν τὰ πολλά,
τοῖς ὀλίγοις ἀρκώμεθα, πεπεισμένοι γνησίως

ὅτι ἥδιστα πολυτελείας ἀπολαύουσιν

οἱ ἥκιστα ταύτης δεόμενοι,

καὶ ὅτι τὸ μὲν φυσικὸν πᾶν εὐπόριστόν ἐστι,

τὸ δὲ κενὸν δυσπόριστον, ὅτι τε λιτοὶ χυλοὶ

ἴσην πολυτελεῖ διαίτῃ τὴν ἡδονὴν ἐπιφέρουσιν, ὅταν ἅπαν τὸ ἀλγοῦν κατ’ ἔνδειαν[1] ἐξαιρεθῇ, [131] καὶ μᾶζα καὶ ὕδωρ

τὴν ἀκροτάτην ἀποδίδωσιν ἡδονήν,

ἐπειδὰν ἐνδέων τις αὐτὰ προσενέγκηται.

Und die Selbstgenügsamkeit halten wir für ein großes Gut,

nicht damit wir überhaupt wenig brauchen,

sondern damit wir, solange wir die Fülle nicht haben,

uns mit dem wenigen begnügen, in der korrekten Überzeugung,

dass diejenigen den Reichtum am meisten genießen,

die seiner am wenigsten bedürfen,

und dass das Natürliche alles leicht zu bekommen ist,

das Nichtige aber schwer, und dass einfache Suppen

die der reichen Nahrung gleiche Lust verschaffen.

wenn aller Schmerz aufgrund von Mangel beseitigt ist.

Und Gerstenbrot und Wasser

ergeben die höchste Lust,

wenn ein Bedürftiger sie sich zuführt.

τὸ συνεθίζειν οὖν ἐν ταῖς ἁπλαῖς

καὶ οὐ πολυτελέσι διαίταις

καὶ ὑγιείας ἐστὶ συμπληρωτικὸν

καὶ πρὸς τὰς ἀναγκαίας τοῦ βίου χρήσεις

ἄοκνον ποιεῖ τὸν ἄνθρωπον

καὶ τοῖς πολυτελέσιν[2]

ἐκ διαλειμμάτων προσερχομένοις

κρεῖττον ἡμᾶς διατίθησι

καὶ πρὸς τὴν τύχην ἀφόβους παρασκευάζει.

Ὅταν οὖν λέγωμεν ἡδονὴν τέλος ὑπάρχειν,

οὐ τὰς τῶν ἀσώτων ἡδονὰς

καὶ τὰς ἐν ἀπολαύσει κειμένας λέγομεν,

ὥς τινες ἀγνοοῦντες καὶ οὐχ ὁμολογοῦντες

ἢ κακῶς ἐκδεχόμενοι νομίζουσιν,

ἀλλὰ τὸ μήτε ἀλγεῖν κατὰ σῶμα
μήτε ταράττεσθαι κατὰ ψυχήν·

Die Gewöhnung also an die einfachen

und nicht üppigen Nahrungsmittel

ist sowohl für die Gesundheit erfüllend

und für die notwendigen Verwendungen im Leben

macht sie den Menschen entschlossen

und für diejenigen, die zu den üppigen Mahlzeigen,

hin und wieder hinzukommen,
setzt sie uns in bessere Verfassung

und gegenüber dem Schicksal macht sie furchtlos.

Wenn wir nun sagen, dass die Lust das Ziel ist,

meinen wir nicht die Lüste der Ausschweifenden

und die auf Genuss beruhenden,

wie einige Unwissende und nicht Zustimmende
oder schlecht Auffassenden meinen,

sondern das Schmerzfrei-Sein im Körper

und das Unerschüttert-Sein in der Seele.

[132] οὐ γὰρ πότοι καὶ κῶμοι συνείροντες

οὐδ’ ἀπολαύσεις παίδων καὶ γυναικῶν

οὐδ’ ἰχθύων καὶ τῶν ἄλλων,

ὅσα φέρει πολυτελὴς τράπεζα,

τὸν ἡδὺν γεννᾷ βίον, ἀλλὰ νήφων λογισμὸς

καὶ τὰς αἰτίας ἐξερευνῶν

πάσης αἱρέσεως καὶ φυγῆς

καὶ τὰς δόξας ἐξελαύνων,

ἐξ ὧν πλεῖστος τὰς ψυχὰς καταλαμβάνει θόρυβος.

Denn weder aneinandergereihte Trinkgelage und Feste

noch Genüsse an Knaben und Frauen

noch an Fischen und dem anderen allen,

was die üppige Tafel trägt,

erzeugt das lustvolle Leben, sondern ein nüchternes Überlegen

wenn es sowohl die Gründe aufspsürt,

für jede Wahl und Ablehnung

und die falsche Meinungen austreibt

aufgrund derer der meiste Aufruhr die Seelen erfasst.

Τούτων δὲ πάντων ἀρχὴ

καὶ τὸ μέγιστον ἀγαθὸν φρόνησις.

διὸ καὶ φιλοσοφίας τιμιώτερον ὑπάρχει φρόνησις, ἐξ ἧς αἱ λοιπαὶ πᾶσαι πεφύκασιν ἀρεταί, διδάσκουσα ὡς οὐκ ἔστιν ἡδέως ζῆν

ἄνευ τοῦ φρονίμως καὶ καλῶς καὶ δικαίως

οὐδὲ φρονίμως καὶ καλῶς καὶ δικαίως

ἄνευ τοῦ ἡδέως.

συμπεφύκασι γὰρ αἱ ἀρεταὶ τῷ ζῆν ἡδέως,

καὶ τὸ ζῆν ἡδέως τούτων ἐστὶν ἀχώριστον.

Von all dem ist Anfang

und das größte Gut <die> vernünftige  Einsicht..

deswegen auch ist die vernünftige Einsicht wertvoller als die Philοsophie, aus der alle übrigen Tugenden hervorgegangen sind,

da sie lehrt, dass es nicht möglich ist, lustvoll zu leben,

wenn nicht vernünftig, gut und gerecht,

und nicht vernünftig, gut und gerecht,

wenn nicht lustvoll.

Denn mitgeboren sind die Tugenden mit dem Lustvoll-Leben,

und das Lustvoll-Leben ist von ihnen nicht zu trennen.

[133] Ἐπεὶ τίνα νομίζεις εἶναι κρείττονα

τοῦ[3] καὶ περὶ θεῶν ὅσια δοξάζοντος

καὶ περὶ θανάτου διὰ παντὸς ἀφόβως ἔχοντος
καὶ τὸ τῆς φύσεως ἐπιλελογισμένου τέλος,

καὶ τὸ μὲν τῶν ἀγαθῶν πέρας

ὡς ἔστιν εὐσυμπλήρωτόν τε

καὶ εὐπόριστον διαλαμβάνοντος,

τὸ δὲ τῶν κακῶν

ὡς ἢ χρόνους ἢ πόνους ἔχει βραχεῖς;

Denn wer, meinst du, sei besser <dran>
als derjenige, der über die Götter das Fromme annimmt,

und der sich zum Tod durchaus furchtlos verhält,

und der über das Ziel der (= unserer) Natur nachgedacht hat,

und der erkennt, dass das Ausmaß des Guten

leicht zu erfüllen

und leicht zu erreichen ist,
<das Ausmaß> des Übels aber
nur kurze Zeiten (= Dauer) und Qualen enthält

 

Es gab keine grundsätzlichen Übersetzungsprobleme

Zum Inhalt:

Dass das zur Genügsamkeit Notwendige, also die Erfüllung der Grundbedürfnisse Nahrung, Kleidung, Wohnung εὐπόριστον „leicht zu beschaffen“ sei, ist bemerkenswert. Ich zog dazu Ηossenfelders Hinweis heran, dass die Grundbedürfnisse des einfachen Atheners im Vergleich zu unserer Armutsgrenze überaus bescheiden waren. Auf Carens Feststellung hin, dass aber zum heutigen  „Warenkorb“ auch die Befähigung zur gesellschaftlichen Teilhabe gehört, erinnerten wir uns daran, dass der Athener Vollbürger (nur die Männer?) - über das Entgelt für Beamte (z.B. in der βουλή) und den μισθός für den Ephebendienst hinaus – auch für die Teilnahme an der ἐκκλησία und im δικαστήριον Diäten bezog, ja dass wir bei Demosthenes gelesen haben, dass auch für den Theaterbesuch das θεωρικόν bezahlt wurde. Die politische und kultische Teilhabe war mit all dem gesichert. Bei Bleicken ist nachzulesen, dass an vielen Stellen, sei es bei Thukydides, Atistophanes oder  Arsitoteles, die Klage darüber zu lesen ist, dass gerichte und Volksversammlungen nur wegen der Diäten besucht würden, ja, dass das auch Abstimmungsergebnisse, z.B. 415 die Zustimmung zur Sizilischen Expedition, beeinflusst habe. 

Zugleich machten wir uns auch klar, dass Epikurs Rückgriff auf die Genügsamkeit duchaus nicht als Aufruf zur Askese gemeint war; denn wer hat, der soll das ruhig ἐκ διαλειμμάτων genießen.

Und nach dem Menoikeus-Brief?

Wir hatten uns schon auf die letzten 10 „Sätze“ der κύριαι δόξαι zur Gesellschaftstheorie geeinigt. Ich habe nun vorgeschlagen auch die ersten 30 Sätze dazuzunehmen, deren Inhalt wir zwar zum größeren Teil kennen, die uns aber vielleicht ins zügigere Lesen bringen könnten. Das scheint mir nach wie vor angezeigt. Und zum Glück habt Ihr dem letztlich auch zugestimmt. Ich werde das also hochladen, dass Ihr auch schon mal damit anfangen könnt, falls Ihr mit Menoikeus durch seid.

Nächster Termin: Sonntag, 05.03.23, 10:00 Uhr
 

 


[1] κατ’ ἔνδειαν zu τὸ ἀλγοῦν: „durch Hunger“

[2] τοῖς πολυτέλεσιν erg. διαίταις

[3] τοῦ gehört zu allen in [133] folgenden Partizipien im Genitiv