pEpikrMen122-124 Protokoll 05.02.23

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Zeit: 10:00 bis 12:00 Uhr              -              Ort: online
anwesend: Caren, Holger, Ulf, Friedrich

Ἐπίκουρος Μενοικεῖ χαίρειν.

[122] Μήτε νέος τις ὢν μελλέτω φιλοσοφεῖν,

μήτε γέρων ὑπάρχων κοπιάτω φιλοσοφῶν.

οὔτε γὰρ ἄωρος οὐδείς ἐστιν οὔτε πάρωρος

πρὸς τὸ κατὰ ψυχὴν ὑγιαῖνον.

ὁ δὲ λέγων ἢ μήπω τοῦ φιλοσοφεῖν ὑπάρχειν ὥραν

ἢ παρεληλυθέναι τὴν ὥραν

ὅμοιός ἐστι τῷ λέγοντι πρὸς εὐδαιμονίαν
ἢ μὴ παρεῖναι τὴν ὥραν ἢ μηκέτι εἶναι.

ὥστε φιλοσοφητέον καὶ νέῳ καὶ γέροντι,

τῷ μὲν ὅπως γηράσκων νεάζῃ

τοῖς ἀγαθοῖς διὰ τὴν χάριν τῶν γεγονότων[1],

τῷ δὲ ὅπως νέος ἅμα καὶ παλαιὸς ᾖ

διὰ τὴν ἀφοβίαν τῶν μελλόντων·

μελετᾶν οὖν χρὴ τὰ ποιοῦντα τὴν εὐδαιμονίαν, εἴπερ παρούσης μὲν αὐτῆς πάντα ἔχομεν,

ἀπούσης δὲ πάντα πράττομεν εἰς τὸ ταύτην ἔχειν.

Epikur grüßt Menoikeus.

Weder als junger Mann zögere man zu philosophieren,

noch als alter Mensch werde man des Philosophierens überdrüssig.

Denn weder ist man unzeitig (zu früh) noch außerzeitig (zu spät)
für das, was seelisch gesund macht.

Wer aber sagt, dass die Stunde fürs Philosophieren noch nicht da sei

oder die die Stunde sei vorübergegangen,

gleicht dem, der sagt, fürs Glücklichsein
sei keine Zeit da oder nicht mehr da.
Daher müssen sowohl der Junge als auch der Alte philosophieren,

der eine, damit er im Alter jung ist
durch das Gute des aufgrund des Schicksals Gewordenen (Erlebten),

der andere aber, damit er jung zugleich und alt ist

wegen der Furchtlosigkeit vor dem Kommenden.

Man muss also betreiben, was Glückseligkeit schafft,

ob wir nun, da sie da ist, alles haben,

oder (aber) da sie fehlt, alles dafür tun, sie zu haben.

[123] Ἃ δέ σοι συνεχῶς παρήγγελλον,

ταῦτα καὶ πρᾶττε καὶ μελέτα,

στοιχεῖα τοῦ καλῶς ζῆν ταῦτ’ εἶναι διαλαμβάνων. Πρῶτον μὲν τὸν θεὸν ζῷον ἄφθαρτον καὶ μακάριον νομίζων,

ὡς ἡ κοινὴ τοῦ θεοῦ νόησις ὑπεγράφη,

μηθὲν μήτε τῆς ἀφθαρσίας ἀλλότριον

μήτε τῆς μακαριότητος ἀνοίκειον αὐτῷ πρόσαπτε·

πᾶν δὲ τὸ φυλάττειν αὐτοῦ δυνάμενον

τὴν μετὰ ἀφθαρσίας μακαριότητα

περὶ αὐτὸν δόξαζε.

θεοὶ μὲν γὰρ εἰσίν·

ἐναργὴς γὰρ αὐτῶν ἐστιν ἡ γνῶσις·

οἵους δ’ αὐτοὺς οἱ πολλοὶ νομίζουσιν, οὐκ εἰσίν· οὐ γὰρ φυλάττουσιν αὐτοὺς οἵους νομίζουσιν. ἀσεβὴς δὲ οὐχ ὁ τοὺς τῶν πολλῶν θεοὺς ἀναιρῶν

Was ich Dir immer wieder geraten habe,

das tue und übe,

in der Überzeugung, dass es die Grundlage des guten Lebens ist.

Zuerst halte den Gott für ein unvergängliches und glückseliges lebendiges Wesen,

wie die allgemeine Auffassung vom Gott anerkannt ist,

und verbinde weder der Unvergänglichkeit Fremdes
noch der Glückseligkeit Unzugehöriges mit ihm.

Alles, was bewahren kann

seine Glückseligkeit mit Unverwüstlichkeit

nimm über ihn an.

Denn es gibt Götter.
denn evident ist die Erkenntnis von ihnen.
wie sie aber die Menge glaubt, sind sie nicht.

Denn sie bewahren sie nicht, wie sie sie glauben.

Unfromm ist nicht der, der die Götter der Menge beseitigt,

[124] ἀλλ’ ὁ τὰς τῶν πολλῶν δόξας
θεοῖς προσάπτων.

οὐ γὰρ προλήψεις εἰσὶν ἀλλ’ ὑπολήψεις ψευδεῖς

αἱ τῶν πολλῶν ὑπὲρ θεῶν ἀποφάσεις.

ἔνθεν αἱ μέγισται βλάβαι [αἴτιαι τοῖς κακοῖς]

ἐκ θεῶν ἐπάγονται καὶ ὠφέλειαι.

ταῖς γὰρ ἰδίαις οἰκειούμενοι διὰ παντὸς ἀρεταῖς τοὺς ὁμοίους ἀποδέχονται,

πᾶν τὸ μὴ τοιοῦτον ὡς ἀλλότριον νομίζοντες.

sondern derjenige, der die Meinungen der Menge
mit den Göttern verbindet.

Denn es sind keine Begriffe, sonder falsche Annahmen,

die Aussagen der Menge über die Götter.

Von daher werden die größten Schäden [verursacht durch die Schlechten]

von den Göttern hergeleitet und (ebenso wie die größten) Nutzen.

Denn an die eigenen Tugenden durchweg gewöhnt
nehmen sie die Gleichartigen an,

indem sie das nicht Derartige als Fremdes ansehen.

Συνέθιζε δὲ ἐν τῷ νομίζειν

μηδὲν πρὸς ἡμᾶς εἶναι τὸν θάνατον

ἐπεὶ πᾶν ἀγαθὸν καὶ κακὸν ἐν αἰσθήσει·

στέρησις δέ ἐστιν αἰσθήσεως ὁ θάνατος.

ὅθεν γνῶσις ὀρθὴ

τοῦ μηθὲν εἶναι πρὸς ἡμᾶς τὸν θάνατον ἀπολαυστὸν ποιεῖ τὸ τῆς ζωῆς θνητόν,

οὐκ ἄπειρον προστιθεῖσα χρόνον,

ἀλλὰ τὸν τῆς ἀθανασίας ἀφελομένη πόθον.

Und gewöhne dich an den Glauben

dass der Tod nichts für uns ist,

weil alles Gute und Schlechte in der Wahrnehmung liegt.

Aber Fehlen von Wahrnehmung ist der Tod.

Daher macht eine richtige Annahme,

dass der Tod für uns nichts ist,

das Sterbliche (die Sterblichkeit) des Lebens erfreulich,

indem sie  Zeit nicht als unendlich ansetzt,

sondern die Sehnsucht nach Unsterblichkeit aufhebt.

 

Auffällig waren uns die vielen Substantivierungen von Infinitiven, aber auch von Partizipien; das sind also Konstruktionen, an die wir uns noch gewöhnen müssen.

Im Anschluss an unsere Übersetzung habe ich mich noch einmal umgesehen und zweierlei gefunden:

  1. Das εἴπερ am Ende von [122] wird von Krautz und von Nickel einfach ignoriert.
     
  2. Und für das οἰκοιούμενοι in [124] werden von Krautz οἱ πολλοί angesehen, von Nickel aber die Götter.

    Anmerkung bei Krautz:

    Umstritten ist das – nicht genannte – Subjekt dieses Satzes. Während manche Forscher „die Menschen“ als Subjekt ansehen, hält W. Schmid „die Götter“ für das Subjekt. Er versteht den Zusammenhang so: „Folge der reinen Gottesvorstellung sind (spirituelle, nicht durch Eingriff der Götter in den Weltlauf zustande kommende) ‚Förderungen‘, insofern die Götter die ihnen ähnlichen Menschen, eben die Weisen, ‚aufnehmen‘, d.h. ihrer geistigen Gemeinschaft würdigen, während bei den ‚Schlechten‘, eben den Nichtweisen, die falschen Gottesvorstellungen zu ‚Schädigungen‘ führen (d.h. zu einer Quelle innerer Nöte zu werden pflegen).“ […] Ob in der umstrittenen Alternative ein grundsätzlicher und unaufhebbarer Dissens über die Theologie Epikurs, enthalten sein muss, mag der Leser nach sorgfältiger Prüfung entscheiden.

    Nickel übersetzt im Sinne von W. Schmid:

    Daher kommen von den Göttern die größten Nachteile und die größten Vorteile. Denn weil den Göttern ihre eigenen Tugenden uneingeschränkt gefallen, haben sie nur Freude an solchen Menschen, die ihnen ähnlich sind, während sie alles, was nicht so ist wie sie, für fremd halten und ablehnen.

    Ich habe mich bei meiner Deutung an Xenophanes orientiert:

    ἀλλ' εἰ χεῖρας ἔχον βόες <ἵπποι τ'> ἠὲ λέοντες
    ἢ γράψαι χείρεσσι καὶ ἔργα τελεῖν ἅπερ ἄνδρες,
    ἵπποι μέν θ' ἵπποισι, βόες δέ τε βουσὶν ὁμοίας
    καί <κε> θεῶν ἰδέας ἔγραφον καὶ σώματ' ἐποίουν
    τοιαῦθ', οἷόν περ καὐτοὶ δέμας εἶχον <ἕκαστοι>.

Nächstes Treffen: Sonnntag, 12.02.23 u 10:00 Uhr

Vorbereitung dafür:
Fortsetzung der Übersetzung in pEpikrMenText

 


[1] διὰ τὴν χάριν τῶν γεγονότων: γεγονότων = Gen.Attr. zu τοῖς ἀγαθοῖς, χάρις = Gunst des Schicksals