pDem9.1-2 Protokoll zum 28.08.22

Zeit: 10: - 12:20 Uhr                       Ort: online
anwesend: Caren, Holger, Friedrich 

Wir sind nicht weit gekommen diesmal. Liegt wohl auch an meinem methodischen Versuch.
Da ich der Meinung bin, dass wir üben müssen, den Text in der linearen Wörterreihenfolge aufzunehmen, habe ich ihn in Einzelwörter aufgelöst in „Geteilte Notizen“ bei BBB gestellt und Euch gebeten, möglichst kleine Einheiten zusammenzusetzen und gleichzeitig währenddessen zu übersetzen. Ich nenne das Verfahren mal einfach mikrolinear. Und mache es im Folgenden vor: möglichst kurzschrittig, textgenau und zugleich gerade noch im Deutschen verständlich.





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πολλῶν,

ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι,

λόγων γιγνομένων

ὀλίγου δεῖν

καθ᾽ ἑκάστην ἐκκλησίαν

περὶ ὧν Φίλιππος,

ἀφ᾽ οὗ τὴν εἰρήνην ἐποιήσατο,

οὐ μόνον ὑμᾶς,

ἀλλὰ καὶ τοὺς ἄλλους ἀδικεῖ,

καὶ πάντων

οἶδ᾽ ὅτι[1]

φησάντων γ᾽ ἄν[2],

εἰ καὶ[3] μὴ ποιοῦσι τοῦτο,

καὶ λέγειν δεῖν καὶ πράττειν

ὅπως ἐκεῖνος

παύσεται τῆς ὕβρεως

καὶ δίκην δώσει,

εἰς τοῦθ᾽ ὑπηγμένα πάντα τὰ πράγματα

καὶ προειμέν᾽ ὁρῶ,

ὥστε δέδοικα

μὴ βλάσφημον μὲν εἰπεῖν,

ἀληθὲς δ᾽ ᾖ·

εἰ καὶ λέγειν ἅπαντες ἐβούλονθ᾽

οἱ παριόντες

καὶ χειροτονεῖν ὑμεῖς[4]

ἐξ ὧν

ὡς φαυλότατ᾽

ἔμελλε τὰ πράγμαθ᾽ ἕξειν,

οὐκ ἂν

ἡγοῦμαι

δύνασθαι χεῖρον ἢ νῦν διατεθῆναι.

^Während^ viele,

ihr Athener,

Reden gehalten werden

fast

auf jeder Volksversammlung,

darüber, was Philipp,

seitdem er den Frieden geschlossen hat,

nicht nur euch,

sondern auch den anderen an Unrecht antut,

und ^während^ alle

wie ich weiß,

wohl gesagt haben dürften,

auch wenn sie das nicht tun,

dass es nötig sei zu reden und zu handeln ,

damit jener

aufhört mit dem Übermut

und bestraft wird,
^sehe ich, dass^ die ganze Situation so weit fehlgeleitet

und aufgegeben ist, °°
dass ich fürchte,

dass <es> auszusprechen zwar lästerlich,

aber doch die Wahrheit ist:
Wenn auch alle ^das^ sagen wollten,

die auftreten,

und ihr <das> beschließen wolltet,

°° aufgrund dessen

äußerst schlecht

die Lage sich befinden würde,

^könnte sie^ nicht,

wie ich glaube (Dominanzumkehrung),
°° schlimmer als gegenwärtig ausfallen.




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[2] πολλὰ μὲν οὖν ἴσως ἐστὶν
αἴτια τούτων,

καὶ οὐ παρ᾽ ἓν[5]

οὐδὲ δύ᾽

εἰς τοῦτο τὰ πράγματ᾽ ἀφῖκται,

μάλιστα δ᾽,

ἄνπερ ἐξετάζητ᾽ ὀρθῶς,

εὑρήσετε

διὰ[6] τοὺς

χαρίζεσθαι μᾶλλον

ἢ τὰ βέλτιστα λέγειν προαιρουμένους,
ὧν τινες μέν,
ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι
[7]ἐν οἷς
εὐδοκιμοῦσιν αὐτοὶ
καὶ δύνανται,
ταῦτα φυλάττοντες
οὐδεμίαν περὶ τῶν μελλόντων πρόνοιαν
ἔχουσιν,

Vieles [zwar] ist also vielleicht

schuld daran,
und nicht durch ein<e Sache>

oder zwei

ist die Situation bis dahin gekommen,
am ehesten aber,

wenn ihr genau prüft,

werdet ihr herausfinden,
derjenigen wegen, die

lieber zu gefallen

als das Beste zu sagen vorziehen,

von denen einige zwar,
ihr Athener,
^die Lage (ταῦτα)^, in der ‚
sie selbst Ansehen haben
und Macht haben,
°° bewahren (Beiordnung)
und keinerlei Voraussicht/Vorsorge für die Zukunft

haben, …

 

Was im Einzelnen die mikro-lineare Übersetzung störte:

  1. Z. 1 Partizipialkonstruktionen: Im Griechischen ist die logische Funktion des Partizips in der Regel offen gelassen, während wir uns bei der Übersetzung mit einem Adverbialsatz festlegen müssen. Bei der mikro-linearen Übersetzung setze ich daher nur eine vorläufige Konkunktion ein im Wissen, sie beim Fortgang des Satzes korrigieren zu müssen. Das Problem ist hier also das Deutsche. Ich plädiere für die Konjunktionen, die auch im Dt. mehrere Funktionen zulassen; daher hier das mehrdeutige „während“ und nicht das einengende „obwohl“, sonst auch das vieldeutige „indem“.
  2. Z. 15 χειροτονέω: Die Vokabel hätte ich angeben sollen; denn zuletzt habe ich das  bei der Xenophon-Lektüre in p12 getan. Aber manchmal sind mir bestimmte Vokabeln allzu selbstverständlich.
  3. Z. 17 δίκην διδόναι: „(was recht ist) Strafe geben, bestraft werden“ als Gegenstück zu δίκην λαμβάνειν „Strafe nehmen, bestrafen“
  4. Z. 33 αἴτια: das Adjektiv nicht zu verwechseln mit dem Substantiv αἰτία
  5. Hellgrün gekennzeichnet: Kasusattraktion des Relativums und/oder geläufige Relativsatz-Verbindung mit Präpositionen
    Z. 6 περὶ ὧν: Kassusattraktion „über das, was“
    Z. 7 ἀφ᾽ οὗ:  „ab welchem <Zeitpunkt> = seitdem (temporal) – von dem Punkt ab, der“
                              hier also zugleich Attraktion des Relativums
    Z. 26 ἐξ ὧν:  „weswegen, aufgrund wessen – das, aufgrund dessen“ (kausal)
    Z. 45 ἐν οἷς: „in welcher Lage – die Lage, in der“

Redewendungen
Z. 4 ὀλίγου δεῖν: „es fehle wenig > fast, beinahe“
Z. 11 οἰδ’ ὅτι: unvollständige Parenthese: „ ich weiß, dass … > wie ich weiß“
Z. 18, 36 εἰς τοῦτο: „bis dahin – soweit“, häufig mit folgendem ὥστε
Z. 27 ὡς φαυλότατα: verkürztes ὡς φαυλότατά ἐστιν „möglichst, äußerst schlimm“

Und wie wollt Ihr’s beim nächsten Termin haben? Darf ich Euch noch einmal mit mikro-linear kommen?

Nächster Termin: Sonntag, 04.09., 10:00 Uhr
Für den übernächsten Termin schlage ich Freitag, 09.09., 17:00 Uhr vor, da wir am Sonntag, 11.09. bis Sonntag, 18.09. verreisen.
Vorbereitung dazu: pDem9 weiter übersetzen. Vielleicht ergänze ich die pDem1.1-10_Vokabeln noch ein wenig.
 

 


[1] οἶδ᾽ ὅτι verkürzter parenthtischer Einschub wie oft bei Demosthenes: „wie ich weiß“

[2] ἄν potentiale Färbung des GA

[3] εἰ καὶ μή konzessiv „wenn sie es auch nicht = auch wenn sie es nicht“

[4] χειροτονεῖν ὑμεῖς erg. ἐβούλεσθε

[5] παρ᾽ ἓν erg. αἴτιον

[6] διά parallel zum voranstehenden παρά

[7] ἐν οἷς … ταῦτα lies: ταῦτα ἐν οἷς ...